Berliner Zeitung
Artikel von Aleksandar Zivanovic (erschienen am 15.12.2011):
DER TANZ AUS DER BRONX
Der Berliner Fotograf Nicolaus Schmidt fotografierte Breakdancer in den Straßen New Yorks für ein Buch und eine Ausstellung in der GALERIE SCHMALFUSS.
Wie eingefroren in einer eindrucksvollen Position verharren. Freeze. Auf dem Boden sich winden, im Rhythmus den Körper in Bewegung setzen. Rotieren. Die Bilder des Berliner Foto-Künstlers Nicolaus Schmidt setzen auf eindrucksvolle Weise Breakdance und die Architektur New Yorks miteinander in Beziehung.
Breakdance ist ein Tanz, der in den 70er-Jahren in der Bronx entstanden ist – parallel zum HipHop, dem Sound zu dem sich die Breakdancer bewegen. Von da aus hat sich dieser akrobatische Tanz in die ganze Welt verbreitet. Bei Block-Parties versammelten sich die Jugendlichen und zeigten sich gegenseitig, welche Schritte sie können – untermalt von der Musik der DJs. Events, die es vermochten, die größtenteils armen Jugendlichen afro- und latino-amerikanischer Herkunft der harten Realität des Outsidertums in der Weltmetropole zu entfliehen. Diese Subkultur hat Energien kanalisiert, in Kreativität umgemünzt – anstatt in Wut.
Nicolaus Schmidt, gebürtiger Hamburger und schon lange Wahlberliner, zeigt in seinen Bildern, aus denen er neben der Ausstellung „Breakin‘ the city“ auch ein schönes Fotobuch gemacht hat, die Spontanität und Freiheit der Tänzer, im urbanen Raum das zu tun, was sie wollen. Sie eignen sich den Raum an, bespielen ihn mit ihrem Körper. Die U-Bahn Treppen der Stadt, die Parks und Straßen. Als Fotograf muss man dafür die Tänzer kennen, man muss wissen, was sie im nächsten Moment machen werden, den nächsten Schritt antizipieren, um das perfekte Bild machen zu können. Und das schafft Schmidt.
Frankfurter Rundschau
Artikel erschienen am 07.01.2012
Tanzend erobern die Jungs die Straßen
Nicolaus Schmidt fotografiert New Yorker Breakdancer.
Eine Ausstellung in der Galerie Schmalfuss in Berlin
Das rechts ist Shamgod, ein Breakdancer aus New York city. Wer die Ausstellung der Breakdance-Fotos von Nicolaus Schrnidt in der Galerie Schmalfuss in Berlin besucht oder einen Blick in den bei Kerber erschienenen Katalog wirft, der wird feststellen, dass Shamgod zu einer Breakdance-Familie gehört. Einer seiner Onkel leitet eine der ältesten New Yorker Breakdance-Gruppen, auch seine Brüder sind Breakdancer. Von Frauen sieht man freilich nichts. Doch. Da ist ein Porträt von Lockin. Sonst alles Jungs.
Denen gehört die Straße. Das aufregend Neue, so kann man daran sehen, bringt oft das nun wirklich gar zu Alte wieder: Die Mädchen mögen hinter den Kulissen eine Rolle spielen. Aber auf der großen Bühne, auf der Straße haben sie nichts verloren. Breakdance ist, jedenfalls hier, eine Sache für Kerle. Eine Männerkultur. Eine Männerkörperkultur. Junge Männer zeigen, dass sie Männer sind. Sie zeigen es öffentlich. Sie zeigen ihren Mut, ihre Kraft. Vor allem aber beweisen sie ihre Schmerzresistenz.
Man denkt an die Initiationsriten afrikanischer Stämme. Monatelang wird dort trainiert für eine bestimmte Übung. Wer sie kann, wird aufgenommen. Das ist hier genau so.
Mit einer kleinen, entscheidenden Differenz. Hier wird man nicht aufgenommen in die Welt der Erwachsenen, sondern in die der Jugendlichen. Wer als Erwachsener hier mitmachen wollte, der müsste ein paar Drehungen härter trainieren.
Der in Berlin lebende Nicolaus Schmidt hat die New Yorker Breakdancer fotografiert. Große Porträts und Aufnahmen der tanzenden jungen Männer. Auch die sind 75×100 cm groß. Die Jungs werden gefeiert. Ihre Sprünge, ihre Pirouetten, ihre Kopfstände, ihre Körperbeherrschung. Schmidts Aufnahmen zeigen den Zugriff der Tänzer auf die Stadt New York. Schmidt schreibt über Frankie aus Usbekistan: „Wie Du es hier schaffst, auch noch 1000 Dollar im Monat für einen Anwalt aufzutreiben, damit der die Anerkennung deines juristischen Examens in den USA durchficht, ist bewundernswert. Hut ab vor Deiner Zähigkeit!“
Nicolaus Schmidt: Breakin‘ the City, Galerie Schmalfuss, Berlin, Knesebeckstraße 96, bis zum 28. Januar.
Schmidts „NewYork Breakdancers Project“ wurde mit dem im Kerber Verlag erschienenen Fotoband abgeschlossen. 160 Seiten, 29,95 Euro.